Digitale Forensik klingt für viele nach Krimi-Serien oder Polizei-Spezialeinheiten. Tatsächlich steckt dahinter ein spannendes und hochpraktisches Feld der IT-Security: das systematische Untersuchen digitaler Spuren. Egal ob bei Cyberangriffen, Betrugsfällen oder einfach bei der Fehlersuche im Unternehmen – forensische Werkzeuge helfen, Beweise zu sichern und Abläufe nachvollziehbar zu machen.
In dieser Blogserie schauen wir uns ein mächtiges Werkzeug genauer an: Autopsy. Im ersten Teil klären wir, was Autopsy ist, warum es eine so große Rolle in der Forensik spielt, und wie man es unter Linux installiert und startet.
Was ist Autopsy?
Autopsy ist ein Open-Source-Forensik-Framework, das auf den ebenfalls bekannten Sleuth Kit-Tools basiert. Während Sleuth Kit eine Sammlung von Kommandozeilen-Programmen für die Analyse von Dateisystemen ist, bringt Autopsy eine grafische Oberfläche mit, die den Workflow erheblich erleichtert.
Typische Aufgaben, die man mit Autopsy erledigen kann:
- Analyse von Festplatten-Images und Partitionen
- Wiederherstellen gelöschter Dateien
- Durchsuchen von Logs, Chat-Datenbanken oder Browser-Verläufen
- Extrahieren von Metadaten (z. B. EXIF in Bildern)
- Erstellen von Timelines, um Ereignisse zu rekonstruieren
- Generieren von Berichten für Ermittler oder Admins
Das klingt erstmal nach Polizeiarbeit – aber Autopsy ist genauso nützlich in Unternehmen, im Studium oder beim Lernen von Cybersecurity.
Warum unter Linux?
Autopsy läuft sowohl unter Windows als auch unter Linux. Doch gerade Linux ist in der Forensik-Welt stark verbreitet. Gründe:
- Viele Forensik-Distributionen (z. B. Kali Linux, CAINE) basieren auf Linux.
- Linux bietet mächtige Kommandozeilen-Tools, die Autopsy ergänzen.
- Die Open-Source-Community sorgt für schnelle Updates und Erweiterungen.
Wenn du bereits mit Linux arbeitest, ist Autopsy die ideale Ergänzung.
Installation von Autopsy unter Linux
Die Installation ist je nach Distribution etwas unterschiedlich. Hier ein Beispiel für Ubuntu/Debian-basierte Systeme.
Schritt 1 – Abhängigkeiten installieren
Autopsy benötigt einige Pakete:
sudo apt update
sudo apt install sleuthkit unzip openjdk-11-jdk
sleuthkit
: die Kern-Tools, auf denen Autopsy aufbautunzip
: zum Entpacken des Download-Archivsopenjdk-11-jdk
: Autopsy läuft auf Java
Schritt 2 – Autopsy herunterladen
Die aktuelle Version gibt es auf der offiziellen Website:
👉 https://www.autopsy.com/download/
Beispiel:
wget https://github.com/sleuthkit/autopsy/releases/download/autopsy-4.21.0/autopsy-4.21.0.zip
unzip autopsy-4.21.0.zip
cd autopsy-4.21.0
Schritt 3 – Starten
Im Autopsy-Ordner befindet sich ein Startskript:
./bin/autopsy
Danach öffnet sich die GUI. Beim ersten Start wird man durch einen Wizard geführt, um einen neuen Case (Fall) anzulegen.
Erste Orientierung in der Oberfläche
Autopsy ist in mehrere Bereiche unterteilt, die den Analyseprozess strukturieren:
- Case Management
- Jeder Untersuchung wird als „Case“ gespeichert.
- Man legt fest: Fallname, Bearbeiter, Beweismittel (Images, Ordner etc.).
- Ingest Modules
- Das Herzstück von Autopsy.
- Module für Datei-Analyse, Hash-Berechnung, Schlüsselwort-Suche, Metadaten-Extraktion usw.
- Tree View (linke Spalte)
- Zeigt Dateisysteme, Partitionen und Ordner.
- Ermöglicht das schnelle Navigieren durch die Daten.
- Result View (Hauptfenster)
- Hier erscheinen die eigentlichen Analyseergebnisse.
- Report-Funktion
- Ergebnisse können als HTML-, PDF- oder XML-Bericht exportiert werden.
Ein erstes Beispiel: USB-Stick untersuchen
Nehmen wir an, du hast ein Abbild (.dd
-Datei) eines USB-Sticks. Mit Autopsy kannst du Folgendes tun:
- Case erstellen → „Neues Case“ anlegen.
- Beweismittel hinzufügen → Image-Datei auswählen.
- Ingest Modules aktivieren → Datei-Analyse, Hash-Werte, Keyword-Suche.
- Ergebnisse prüfen → Gelöschte Dateien tauchen auf, Metadaten zeigen Zugriffszeiten, Bilder enthalten EXIF-Daten mit GPS-Infos.
Gerade für Einsteiger ist das ein „Aha-Moment“: Man sieht, dass selbst vermeintlich gelöschte Dateien noch Spuren hinterlassen.
Warum Autopsy so wertvoll ist
Man könnte fragen: Warum nicht direkt Sleuth Kit nutzen?
Die Antwort: Sleuth Kit ist extrem mächtig, aber rein CLI-basiert. Autopsy baut darauf auf und bietet:
- Visualisierung: Dateistrukturen, Timelines, Bilder – alles übersichtlich.
- Bedienfreundlichkeit: Statt langer Terminalbefehle klickt man sich durch Module.
- Automatisierung: Viele Schritte laufen parallel im Hintergrund.
- Erweiterbarkeit: Man kann Plugins hinzufügen (z. B. für mobile Forensik).
Damit ist Autopsy besonders geeignet für Einsteiger und Teams, die Ergebnisse auch für Nicht-Techniker präsentieren müssen.
Autopsy vs. kommerzielle Tools
In der digitalen Forensik gibt es viele kommerzielle Werkzeuge wie EnCase oder FTK. Sie sind extrem leistungsfähig, kosten aber mehrere Tausend Euro pro Lizenz.
Autopsy dagegen:
- Kostenlos & Open Source
- Unterstützt die meisten Standardformate
- Wird aktiv weiterentwickelt
- Hat eine große Community
Natürlich hat es auch Grenzen:
- Weniger Support im Vergleich zu kommerziellen Lösungen
- Einige Spezialfunktionen fehlen oder sind komplexer umzusetzen
- Performance kann bei sehr großen Datensätzen schwächer sein
Aber: Für Lernen, Training und viele echte Einsätze ist Autopsy völlig ausreichend.
Best Practices für den Einstieg
Bevor du richtig loslegst, ein paar Tipps:
- Arbeite immer mit Kopien
– Forensik bedeutet: Originaldaten bleiben unverändert.
– Nutze Hashwerte (MD5, SHA1), um Integrität zu prüfen. - Nutze Images statt Live-Systemen
– Autopsy arbeitet am besten mit Disk-Images.
– Tools wiedd
oderdcfldd
helfen beim Erstellen. - Dokumentiere alles
– Jeder Schritt sollte nachvollziehbar sein.
– Autopsy unterstützt dich mit automatischen Berichten. - Übe mit Beispieldaten
– Es gibt frei verfügbare Forensik-Challenges (z. B. CTFs).
– Perfekt, um das Gelernte anzuwenden.
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